Wilhelm Reuter                           Adventsgedanken

fl. 1867

 

I.

 

O seht! Es nahen sich des Heiles Tage!

O freu dich, David! Denn aus deinen Lenden

Wird nun der Herr den hohen Sprößling senden,

Verstummen wird auf Erden jede Klage.

 

Er hält in starker Hand des Rechtes Wage,

Und Milde träuft herab ihm von den Händen;

Sein Königthum wird nimmer, nimmer enden

Und aufgehört hat jetzt die alte Plage.

 

Am Himmel fern schon leuchtet ja sein Name,

Der Erdkreis ist von seinem Glanz erfüllt,

Und der Verjüngung Frühlingsodem quillt

 

Aus diesem Lichtmeer in die dunkle Oede,

O sei gegrüßt, du schöne Morgenröthe!

Gebenedeit sei, der da kommet, Amen!

 

 

II.

 

O jauchzet auf, ihr Himmel, nun in Wonnen!

Stimm, Erde, an schönsten Lobgesang!

Ihr Berge, zieht sein lautes Echo lang!

O murmelt’s nach, ihr klaren Thalesbronnen!

 

Der Nebel ist vor unserm Blick zerronnen,

Der jeden goldnen Sonnenstrahl verschlang.

Das Glück, nach dem geseufzt die Väter bang,

Wir Glücklichen, wir haben es gewonnen.

 

Nun wird der Honig von den Bergen fließen

Und Milch und Honig von den Höhen rinnen.

O Tochter Sion, kannst du dich besinnen?

 

Wie? Eilst du nicht, den Heil’gen zu begrüßen?

Gekommen ist der mächtige Prophet:

Zu neuem Glanz Jerusalem ersteht.

 

 

III.

 

 

Jerusalem, o wolle nicht mehr weinen!

Ich seh’ des Heiles lichten Stern erstehn,

Ich fühl’ den Hauch von Gottes Glorie weh’n,

Der einstens Erd und Himmel konnt vereinen.

 

Und einen Mann seh’ dorther ich erscheinen:

Aufgang sein Name und sein Antlitz schön;

Ein Bauwerk seh’ ich mächtig ihn erhöh’n,

Ja, einen Tempel aus lebend’gen Steinen.

 

Und Völker eilen her aus allen Zonen,

Von Ost und Westen her, von Süd und Nord;

Sie wollen all in jenem Tempel wohnen,

 

Er ist des Friedens und des Glückes Port.

Und siebenarmig quillt aus ihm ein Bronnen:

Wer davon trinkt, der hat das Heil gewonnen.